MINDFUL MONDAY (105) von Reto Weishaupt

Die Corona-Krise ist Realität und du machst dir womöglich Sorgen um deine Familie, deine wirtschaftliche Existenz und um deine Gesundheit. Damit bist du nicht allein. Es ist in Ordnung sich Sorgen zu machen. Denn die Situation ist aussergewöhnlich, die Zukunft ist ungewiss und die vermeintliche Sicherheit wie vor Corona ist Vergangenheit.

Sorgen dürfen sein

Sorgen sind da und sie dürfen sein. Wir müssen sie nicht ignorieren, weg-haben-wollen, ablehnen oder wegstossen. Elementar ist, wie wir mit Sorgen und anderen herausfordernden Gefühlen umgehen. Finden wir einen konstruktiven und heilvollen Umgang, sodass wir mit Sorgen sein können und sie sich mit der Zeit teilweise oder ganz (auf)lösen? Oder sind wir mental ablehnend unterwegs und stemmen uns mit aller Kraft gegen das Unsichere und Unangenehme, verdrängen es und verstärken damit nur unser Leid?

Ein konstruktiver Umgang

Was können wir tun? Wir können unsere Angst und Besorgnis, unsere Unsicherheit und Hilflosigkeit anerkennen und all diese Gefühle mit einem selbstmitfühlenden Herzen halten. Wir können zu unseren Gefühlen und unserer Unsicherheit sagen: „Danke, dass ihr versucht, mich zu beschützen, ich bin im Moment okay.“ (Jack Kornfield)

Zentral erscheint mir, dass wir alle unangenehmen Gedanken und Gefühle annehmen (das Feuer ist da), sie jedoch nicht nähren und stetig stärker machen (kein Holz aufs Feuer legen). Die inneren Haltungen der Achtsamkeit und des Mitgefühls können uns dabei helfen, einen konstruktiven Umgang mit schwierigen Empfindungen (Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen) zu finden. Lasst uns also gerade in diesen Zeiten unseren Fokus vermehrt vom Aussen ins Innen lenken und in unsere Mitte – in unsere Kraft – zurückkehren.

Dazu bieten wir aktuell z.B. offene Meditationen live online. Du bist herzlich willkommen.

Achtsamkeit als Basis

Achtsamkeit können wir bewusst mittels Meditation und sanften Körperübungen oder während Alltagsaktivitäten einüben. Wir lernen dabei in einer freundlichen und annehmenden Grundhaltung gegenwärtig und aufmerksam sein ohne zu werten und unsere vorgefasste Meinung überzustülpen. Egal ob die momentane Empfindung angenehm oder unangenehm ist, wir sind einfach nur achtsam in Kontakt mit dieser Empfindung. Während dieser wachen Beobachtung unserer inneren Prozesse können wir Moment für Moment die Unstetigkeit dieser Empfindungen erkennen. Wir bemerken, dass wir ohne Reaktion beobachtend mit dem Unangenehmen sein können und dass sich auch Unsicherheit mit der Zeit verändert – sie ist nicht immer gleich. Dies kann uns innerlich Ruhe, Leichtigkeit, Gelassenheit und Zuversicht schenken.

 

„Im asiatischen Sprachraum werden Geist und Herz in der Regel mit demselben Wort bezeichnet. Wenn wir von Achtsamkeit sprechen, ist damit nicht nur die Dimension des Geistes gemeint, sondern auch die des Herzens.“
– Jon Kabat-Zinn

 

Mitgefühl als Basis

In der gegenwärtig herausfordernden Zeit ist es elementar, nicht nur einen ruhigen Geist und Zuversicht zu bewahren. Sondern mindestens so wichtig ist es, Mitgefühl zu kultivieren. Mitgefühl ist eine bewusste Anteilnahme am Leid, an der Not anderer. Ich fühle mit, nehme Anteil an deinem Leiden. Ich bin in Verbindung, für dich da, kümmere mich um dich, ohne ganz in dein Leid hineingezogen zu werden.

Mitgefühl können wir Menschen entgegenbringen, die uns nahe stehen und gerade leiden. Mitgefühl können wir auch Lebewesen entgegenbringen, die leiden und die wir nicht kennen. Und Mitgefühl können wir uns selbst entgegenbringen. Dieses Selbstmitgefühl ist die kraftvolle Grundlage, um anderen Mitgefühl schenken zu können. Es beginnt mit und in uns selbst.
(Selbst)Mitgefühl können wir ganz bewusst mittels spezifischen Meditationstechniken oder auch in konkreten Situationen im Alltag üben.

Menschliche Superpower

Zusammen bilden die Achtsamkeit und das Mitgefühl das mental-emotionale Fundament – die menschliche Superpower – um einen konstruktiven Umgang mit der Krise zu finden. Im besten Fall gehen wir gestärkt und resilienter (widerstandsfähiger) aus diesem Zustand der Unsicherheit hervor. Zudem sind die inneren Haltungen von Achtsamkeit und das Mitgefühl auch nach der Corona-Krise willkommene Wegbegleiter. Denn sie sind der fruchtbare Boden für weitere sehr heilvolle Geistesqualitäten wie Dankbarkeit, Vertrauen, Zuversicht, Freude, Gleichmut, Freundlichkeit, Wertschätzung, Verbundenheit und Liebe.

 

„Die Chance tief auf unser Leben zu schauen, den scheinbaren Stillstand intelligent zu nutzen und die uns geschenkte Zeit des Nicht-Beschäftigtseins als Geschenk anzunehmen. Jetzt ist die Zeit der Praxis, die Zeit für Meditation und Achtsamkeit.“
– Kai Romhard

 

Herausforderung und Chance

Das Ungewisse und Disruptive in der aktuellen Zeit kann uns Angst machen, ist Herausforderung und Chance zugleich. Jack Kornfield, einer der einflussreichsten und inspirierendsten Achtsamkeits- und Meditationslehrer im Westen, schrieb dazu kürzlich folgendes: „Wenn eine weit verbreitete Schwierigkeit wie die Coronavirus-Pandemie wächst, wird es wichtig, aus unserer inneren Kraft zu schöpfen. Es ist die Zeit, innezuhalten, nachzudenken und uns selbst und den Menschen um uns herum Weisheit, Mut und Fürsorge zu vermitteln. Wir Menschen haben über tausend Generationen überlebt, indem wir uns gegenseitig geholfen und uns gegenseitig inspiriert haben. Wir wissen, wie wir dies tun können. Anstatt uns in kollektiver Angst und Unruhe zu verfangen, können wir uns daran erinnern, durchzuatmen, uns zu zentrieren und praktische Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen zu treffen, aber in Ruhe und im Geiste der Liebe. Jeder von uns kann zum Wohlergehen von uns selbst, unserer Gemeinschaft und unserer Welt beitragen.“

Die Realität der Verbundenheit ist mittlerweile wohl für jeden auf der Erde offensichtlich. Wir haben vielleicht diese Pause gebraucht, um zu erkennen, wie sehr wir einander brauchen. Machen wir das Beste draus, lasst uns den scheinbaren Stillstand intelligent nutzen, beobachtend beginnend in uns innen und dann bewusst handelnd im Aussen.

Reto

 


Reto Weishaupt
ist Meditationslehrer und Achtsamkeitscoach bei MINDFULMIND. Meditation ist für ihn ein starkes Instrument, das er zur Geistes- und Herzensschulung gerne weiter gibt – undogmatisch, säkular und frei von Ideologie. „It’s all about cultivating mind and heart.“

 

 

Abonniere hier unseren Newsletter
und du erhältst unregelmässig Inputs rund um das Thema Meditation und Achtsamkeit.