MINDFUL MONDAY (96) von Reto Weishaupt

Um was geht es eigentlich im Leben? Was ist der Sinn? Wie möchte ich leben? Die Worte von Alan Watts geben eine kraftvolle und berührende Antwort auf diese grossen Fragen des Lebens und warum er das Leben nicht als Reise sieht, sondern eher als ein Musikstück oder ein Tanz.

„Der Sinn des Tanzes ist der Tanz.“
– Alan Watts

Lasst uns immer wieder bewusst werden, um was es eigentlich geht. Jeden Tag, jeden Moment. Der nachfolgende frei übersetzte Text zum Video (4 min) mit einer Rede von Alan Watts gibt mir einen wunderbaren Impuls dazu. Ich hoffe dir auch.

Eine mögliche Antwort von Alan Watts

Warum dein Leben keine Reise ist.

Die Existenz, das physische Universum, ist im Grunde genommen verspielt. Es hat kein Ziel, das erreicht werden muss.

Sehen wir das Leben als eine Analogie zur Musik. Musik ist als Kunstform im Wesentlichen spielerisch. Wir sagen „Du spielst Klavier“ und nicht „Du arbeitest Klavier“. Musik unterscheidet sich auch vom Reisen. Wenn du reist, versuchst du (häufig), irgendwohin, an ein bestimmtes Ziel zu kommen. In der Musik hingegen geht es nicht darum, das Ende einer Komposition zu erreichen. Das ist nicht der Sinn der Komposition. Wenn das so wäre, wären die besten Dirigenten diejenigen, die am schnellsten gespielt haben.

Genauso wie beim Tanzen. Du zielst nicht auf einen bestimmten Punkt im Raum, wo du ankommen möchtest. Der Sinn des Tanzes ist der Tanz.

Aber unsere Bildung fördert eine solche Denkweise nicht, damit sie Teil unseres täglichen Verhaltens wird. Wir haben ein Schulsystem, das einen ganz anderen Eindruck vermittelt. Es ist alles benotet. Du gehst in den Kindergarten und das ist eine tolle Sache, denn wenn du fertig bist, kommst du in die erste Klasse. Dann in die zweite Klasse und so weiter. Und später gehst in die Sekundarschule oder ins Gymnasium oder du machst eine Berufslehre, vielleicht noch ein Studium an der Universität oder an der Fachhochschule. Und wenn du auch damit fertig bist, gehst du hinaus, um an der Welt zu beteiligen.

Dann gerätst du in dieses Getöse, in diesen Lärm, wo du vielleicht Versicherungen verkaufst. Und du musst eine bestimmte Quote erreichen, und du wirst sie erreichen. Und die ganze Zeit kommt dieses Ding, dieses grossartige Ding, der Erfolg, für den du arbeitest.

Dann wachst du eines Tages auf, vielleicht 40 Jahre alt, und sagst: „Mein Gott, ich bin angekommen. Ich bin da!“ Aber du fühlst dich nicht sehr anders als so, wie du dich immer gefühlt hast.

Schau dir die Menschen an, die ihr ganzes Leben lang auf ihren Ruhestand sparen. Und wenn sie 65 Jahre alt sind, haben sie keine Energie mehr und landen dann irgendwann im Altersheim.

Wir haben uns den ganzen Weg lang selbst betrogen.

Wir dachten an das Leben als Analogie zu einer Reise, einer Pilgerfahrt, an dessen Ende der ernsthafte Zweck erscheint. Wir dachten, es gehe darum zu diesem Ende zu gelangen. Erfolg, oder was auch immer es ist, oder vielleicht in den Himmel, wenn man tot ist.

Aber wir haben auf dem ganzen Weg den springenden Punkt verpasst, den Sinn nicht begriffen.

Es war keine Reise, sondern eine musikalische Angelegenheit.

Und du hättest singen oder tanzen sollen, während die Musik spielte.

Es ist der Prozess

Unser Leben ist immer wieder herausfordernd, immer wieder eine Übung. Und was gibt es da besseres als mit einem bewussten, liebevollen Herz-Geist akzeptieren was ist und dann gelassen, wertfrei, offen, interessiert und mitfühlend damit umgehen? Was gibt es besseres als den Prozess wertzuschätzen und im Laufe des Prozesses vielleicht realisieren, wer ich (wirklich) bin, was mir wichtig ist und wie ich sein möchte? Manchmal kommt mir das Leben, wie es auch Alan Watts beschreibt, wie ein Spiel vor. Spielerisch, mit Leichtigkeit und Vertrauen in den Moment oder ins Leben auch – oder gerade – wenn es schmerzt oder schwierig ist.

„Das Ziel im Leben ist nicht, immer glücklich zu sein, sondern all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich in uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, und es ist immer ein Geschenk, sich mit ihm zu verbinden.“
–  
Marshall Rosenberg

Was ist nach dem Tod

Willigis Jäger war ein bedeutender deutscher Benediktinermönch und Zen-Meister, der ebenfalls betont hat, er verstehe, lebe und sterbe das Lebens als einen Tanz:

„Die Menschen kommen mit der Frage: Was ist nach dem Tod. Während die traditionellen Religionen eine innere Befreiung von der Welt durch eine Loslösung von allem Diesseitigen zu erreichen versuchen, und das Eigentlich in ein Jenseits verlegen, um eine unmittelbare Schau des Absoluten, des Göttlichen, der Leere und des Unbekannten zu erreichen, versucht eine mystische Spiritualität, das Hier und Jetzt zum Mittelpunkt zu machen.

Hier und jetzt drückt sich das Unbeschreibbare aus, in genau dieser Form, zu dieser Zeit, an diesem Ort. Es geht nicht darum aus der Welt zu scheiden und in ein Verlöschen oder eine neue Wiedergeburt oder in einem Himmel einzugehen, um die Seligkeit zu erreichen.

Es geht um die Erkenntnis, dass wir und alles durchdrungen sind von dieser »Urwirklichkeit«. Es gibt keine Zeit. Es geht darum, diesen Tanz des evolutionären Geschehens mitzutanzen. Man tanzt nicht, um möglichst schnell zu Ende zu kommen, man tanzt um des Tanzes willen. Tanzschritt des »Tänzers Gott« zu sein und alles Handeln als spirituell durchdrungen zu erfahren, ist das Ziel. Das gilt auch für ein eventuelles Leben nach dem Tod. – In der Mystik gibt es nur das Jetzt. Das gilt zu jedem Zeitpunkt, gleichviel in welcher Existenz ich lebe. Nur im Jetzt kann ich die Eingrenzung des Personalen überschreiten.“
– Willigis Jäger

 

♡ Reto

 


Reto Weishaupt
ist Meditationslehrer und Achtsamkeitscoach bei MINDFULMIND. Meditation ist für ihn ein starkes Instrument, das er zur Geistes- und Herzensschulung gerne weiter gibt – undogmatisch, säkular und frei von Ideologie. „It’s all about cultivating mind and heart.“

 

 

 

Abonniere hier unseren Newsletter
und du erhältst unregelmässig Inputs rund um das Thema Meditation und Achtsamkeit.